Forschung

Unsere Mission: Die Identifizierung neuer und effektiver Behandlungsmöglichkeiten für betroffene Kinder durch die Entwicklung innovativer Biotechnologien und die Anwendung neuartiger Forschungsmethoden. 

Forschung

Einführung

Gehirntumore stellen in Deutschland die häufigste Todesursache im Kindesalter dar.
Besonders schlimm ist das diffuse intrinsische Ponsgliom (DIPG). Hierfür gibt es bisher weder eine Heilung noch eine signifikant lebensverlängernde Behandlung. 90% der betroffenen Kinder versterben innerhalb der ersten 18 Monate nach Diagnosestellung. Ziel der aktuellen Forschungsprojekte der Stiftung für Innovative Medizin ist es, neue Therapieoptionen durch innovative Technologien für die betroffenen Kinder zu finden. Eine Übersicht zu den aktuell laufenden Projekten finden Sie im Folgenden.

Wirkstoff-Screening

Um den Effekt neuer Wirkstoffe auf DIPG Zellen zu untersuchen, werden in unserem Labor jede Woche Millionen von Tumorzellen mit verschiedenen Substanzen behandelt.
Tumorzellen werden hierfür von einem Roboter in Platten ausgesät, in denen sie für 24 Stunden ungehindert wachsen können. Dann werden sie mit den verschiedenen Wirkstoffen in unterschiedlichen Konzentrationen behandelt und 72h später einer Analyse unterzogen, die anzeigt, wie viele Tumorzellen durch die Therapeutika abgetötet wurden. Zu den Wirkstoffen gehören bereits zugelassene Medikamente aus unterschiedlichsten Anwendungsbereichen, sowie experimentelle Substanzen, die sich aktuell noch in der Zulassungsphase befinden. Durch das Wirkstoff-Screening können wir Substanzen identifizieren, die einen wachstumshemmenden Effekt auf DIPG Zellen haben oder diese abtöten. Wirksame Substanzen werden dann auf weitere Eigenschaften charakterisiert (Blut-Hirn-Schranken-Gängigkeit, Toxizität und Nebenwirkungsspektrum, Resistenzpotential etc.).

Blut-Hirn-Schranken-Modell

Das Gehirn des Menschen ist durch eine besondere Barriere geschützt: die so genannte Blut-Hirn-Schranke (BHS). 

Sie dient als Barriere zwischen dem im Körper zirkulierenden Blut und dem zentralen Nervensystem und reguliert den Stoffaustausch im Gehirn. Diese Schutzfunktion führt jedoch auch dazu, dass viele Medikamente nicht oder nur in geringer Konzentration ins Gehirn gelangen können. Unsere Arbeitsgruppe hat ein neuartiges Labor-Modell der menschlichen Blut-Hirn-Schranke entwickelt, welches mit bisher unerreichter Vorhersagekraft Wirkstoffe in BHS-gängig oder BHS-ungängig einteilen kann. Wirkstoffe, die in unseren Screenings als effektiv gegen DIPG eingestuft wurden, können so auf ihre BHS-Gängigkeit hin untersucht werden. Informationen über die BHS-Permeabilität von Medikamenten sind von unschätzbarem Wert für die Beurteilung eines möglichen klinischen Einsatzes einer Substanz. Selbst wenn Substanzen sehr effektiv gegen DIPG-Zellen wirken, ist den Patienten nicht geholfen, wenn dieser Wirkstoff den Tumor im Gehirn nicht erreichen kann.

Toxizität

Viele Wirkstoffe, die in der Lage sind, Tumorzellen abzutöten, haben auch erheblichen Einfluss auf gesunde Zellen des menschlichen Körpers. 

In der Krebstherapie äußert sich dieser Effekt auf nicht maligne Zellen in Form von teils schweren Nebenwirkungen. Wirkstoffe, die nicht gezielt genug auf Tumorzellen wirken, führen in der Klinik häufig zur Dosislimitierung. Das bedeutet, dass Patienten aufgrund von Nebenwirkungen nicht die Dosis erhalten können, die nötig wäre, um den Tumor aktiv zu bekämpfen. Da es sich bei DIPG-Patienten in aller Regel um Kinder handelt, ist es besonders wichtig, dosislimitierende Toxizitäten möglichst früh zu identifizieren. Zu diesem Zweck erstellen wir Zellmodelle der wichtigsten Organsysteme des Menschen. Mit Hilfe von pluripotenten Stammzellen können wir so menschliche Herzmuskelzellen, Nierenzellen, Leberzellen und viele andere Zellarten in großer Anzahl generieren und den Effekt von vielversprechenden DIPG-Wirkstoffen auf diese nicht malignen Zellpopulationen untersuchen. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem Effekt der Wirkstoffe auf Nervenzellen. Da wir Medikamente identifizieren, die in der Lage sind, die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden, ist es besonders wichtig, eine Neurotoxizität dieser Wirkstoffe auszuschließen, da diese ungehindert ins zentrale Nervensystem gelangen können. Mit unseren Toxizitäts-Analysen generieren wir wertvolle Informationen für behandelnde Ärzte und identifizieren Therapien mit weniger dosislimitierenden Nebenwirkungen.

Wirkstoffkombinationen und Resistenzen

Es gibt konkrete Hinweise darauf, warum die aktuell zur Behandlung von DIPG eingesetzten Medikamente keinen entscheidenden Erfolg haben. 
Dazu zählt das unterschiedliche Therapie-Ansprechen individueller Patienten auf verschiedene Wirkstoffe. Eine weitere Hürde stellt die Entwicklung von Resistenzen gegen einzelne Wirkstoffe während einer Therapie dar. Um diese Probleme zu lösen, beschäftigt sich ein weiteres Projekt unserer Arbeitsgruppe mit der Testung von Wirkstoffkombinationen mit einer möglichst geringen Kreuzresistenz. Hierbei werden Wirkstoffe identifiziert, gegen die der Tumor nicht gleichzeitig resistent werden kann. Zu diesem Zweck werden im Labor resistente DIPG-Zelllinien generiert, an denen dann Wirkstoffkombinationen getestet werden können. Ziel des Projektes ist es, eine möglichst effektive Kombination von Wirkstoffen zu finden, da es so gut wie ausgeschlossen ist, dass DIPG mit einer einzelnen Substanz erfolgreich therapiert oder geheilt werden kann.

Komplexe Tumormodelle

Bei DIPG handelt es sich um einen komplexen Tumor. 

Er wächst diffus in das umliegende gesunde Gewebe ein und interagiert mit diesem. Daraus ergeben sich für die einzelnen Tumorzellen unterschiedliche Umgebungsbedingungen. Zudem gibt es innerhalb eines DIPGs verschiedene Tumorzellpopulationen. Um neue Therapieoptionen finden und testen zu können, müssen die Tumorzellen auch im Labor Umgebungsbedingungen ausgesetzt werden, wie sie im menschlichen Gehirn herrschen. Eines unserer Projekte beschäftigt sich daher mit der Integration von DIPG Zellen in „Mini-Gehirne“. Diese Mini-Gehirne sind dreidimensionale Strukturen von ca. 5mm Größe und werden aus menschlichen Stammzellen generiert. Die Mini-Gehirne beinhalten zahlreiche Zellarten des menschlichen Gehirns und erzeugen so optimale und realitätsnahe Wachstumsbedingungen für Gehirntumorzellen. Mit diesem Modell können wir hunderte von Wirkstoffen testen und neben dem Effekt der Therapeutika auf verschiedene Tumorpopulationen auch den Effekt auf die normalen, nicht malignen Gehirnzellen testen.

Publikationen

Für alle, die sich noch intensiver über unsere Forschung informieren möchten, verlinken wir hier die aktuellsten Veröffentlichungen unserer Arbeit:
Liu I, Jiang L, Samuelsson ER, Marco Salas S, Beck A, Hack OA, Jeong D, Shaw ML, Englinger B, LaBelle J, Mire HM, Madlener S, Mayr L, Quezada MA, Trissal M, Panditharatna E, Ernst KJ, Vogelzang J, Gatesman TA, Halbert ME, Palova H, Pokorna P, Sterba J, Slaby O, Geyeregger R, Diaz A, Findlay IJ, Dun MD, Resnick A, Suvà ML, Jones DTW, Agnihotri S, Svedlund J, Koschmann C, Haberler C, Czech T, Slavc I, Cotter JA, Ligon KL, Alexandrescu S, Yung WKA, Arrillaga-Romany I, Gojo J, Monje M, Nilsson M & Filbin MG
The landscape of tumor cell states and spatial organization in H3-K27M mutant diffuse midline glioma across age and location.
Nature genetics, 2022 Dec, 54 (12) 1881-1894 
Panditharatna E, Marques JG, Wang T, Trissal MC, Liu I, Jiang L, Beck A, Groves A, Dharia NV, Li D, Hoffman SE, Kugener G, Shaw ML, Mire HM, Hack OA, Dempster JM, Lareau C, Dai L, Sigua LH, Quezada MA, Stanton AJ, Wyatt M, Kalani Z, Goodale A, Vazquez F, Piccioni F, Doench JG, Root DE, Anastas JN, Jones KL, Conway AS, Stopka S, Regan MS, Liang Y, Seo HS, Song K, Bashyal P, Jerome WP, Mathewson ND, Dhe-Paganon S, Suvà ML, Carcaboso AM, Lavarino C, Mora J, Nguyen QD, Ligon KL, Shi Y, Agnihotri S, Agar NYR, Stegmaier K, Stiles CD, Monje M, Golub TR, Qi J & Filbin MG
BAF Complex Maintains Glioma Stem Cells in Pediatric H3K27M Glioma.
Cancer discovery, 2022 Dec 02, 12 (12) 2880-2905
Duchatel RJ, Mannan A, Woldu AS, Hawtrey T, Hindley PA, Douglas AM, Jackson ER, Findlay IJ, Germon ZP, Staudt D, Kearney PS, Smith ND, Hindley KE, Cain JE, André N, La Madrid AM, Nixon B, De Iuliis GN, Nazarian J, Irish K, Alvaro F, Eisenstat DD, Beck A, Vitanza NA, Mueller S, Morris JC & Dun MD
Preclinical and clinical evaluation of German-sourced ONC201 for the treatment of H3K27M-mutant diffuse intrinsic pontine glioma.
Neuro-oncology advances, 2021, 3 (1) vdab169

Filbin MG, Tirosh I, Hovestadt V, Shaw ML, Escalante LE, Mathewson ND, Neftel C, Frank N, Pelton K, Hebert CM, Haberler C, Yizhak K, Gojo J, Egervari K, Mount C, van Galen P, Bonal DM, Nguyen QD, Beck A, Sinai C, Czech T, Dorfer C, Goumnerova L, Lavarino C, Carcaboso AM, Mora J, Mylvaganam R, Luo CC, Peyrl A, Popović M, Azizi A, Batchelor TT, Frosch MP, Martinez-Lage M, Kieran MW, Bandopadhayay P, Beroukhim R, Fritsch G, Getz G, Rozenblatt-Rosen O, Wucherpfennig KW, Louis DN, Monje M, Slavc I, Ligon KL, Golub TR, Regev A, Bernstein BE & Suvà ML
Developmental and oncogenic programs in H3K27M gliomas dissected by single-cell RNA-seq.
Science (New York, N.Y.), 2018 Apr 20, 360 (6386) 331-335